“Oxymora” ist eine Ausstellung, die Unterschiede zwischen verschiedenen Künstler/innen-Generationen und ihren Lebenskontexten und Vielfalt von eingesetzten Materialien – Text, Malerei, Textil, Video und bearbeiteten Themen zeigt und dennoch Gemeinsamkeiten in den Fokus nimmt; Virginija Vitkiene sagte stellvertretend für das Kurator/innenteam: Es ist nicht so entscheidend, welcher Medien oder Materialien des Ausdrucks sich eine Künstlerin oder ein Künstler bedient, gute Kunst lasse sich daran erkennen, dass sie in einer Verbindung zu der Gesellschaft steht, diese in mal mehr und mal weniger expliziten Form auf ein Problem aufmerksam mache, eine Leerstelle, einen Widerspruch …, den es zu bearbeiten gilt – auch mit Mitteln der Kunst.
Gegen den künstlerischen Mainstream der späten 50er und 60er Jahre, der v.a. von Informel und vom US-geprägten abstrakten Expressionismus bestimmt wurde, entschieden sich viele Künstler der Berliner Malerpoeten nach Ausschwitz, weder den distanzierten Weg der Abstraktion zu gehen, noch den Vorgaben des “Sozialistischen Realismus” zu folgen. Sie wählten Formsprachen, die das Erzählerische, Phantastische, Bunt Ironische und immer den Menschen in den Mittelpunkt ihres Schaffens rückten (Robert Wolfgang Schnell) und dabei an verschiedenen Traditionen der europäischen Moderne der Vorkriegszeit anknüpften. Und sie bestanden darauf, sich ganz nach Belieben mal malerisch und mal litararisch oder auch in Kombination beider Formen auszudrücken. Diese Entscheidungen brachte einigen der Künstler in Kunst- und Literaturkritik den Vorwurf der Disziplinlosigkeit und des Dilettantismus oder fehlender Modernität und damit mangelnde Bedeutung als “ernstzunehmende Kunst” ein.
Mit einer thematisch anders gelagerten aber ähnlich bornierten Stigmatisierungen haben auch die litauischen Künstler/innen der Ausstellung “Oxymora” zu kämpfen, die Textilien als Arbeitsmaterial verwenden. Sehr zu Unrecht, wie uns die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun erinnerte: “Die hier ausgestellten litauischen Kunstwerke wurden allesamt von Frauen geschaffen, und diese verwenden Textilien – eine Kunstform, die fälschlicherweise lange in das Kunstgewerbe eingeordnet wurde und eben deshalb auch als ‚weibliche Kunstform‘ galt. Das ist ein großer Fehler, denn auf der Fähigkeit zu weben beruht einerseits unser modernes mathematisches Denken – der Computer übernahm vom Webstuhl sein System mit Eins und Null. Andererseits erzählt aber auch die gemeinsame Wortursprung von Text und Textil, dass das Sprechen und Schreiben ebenfalls in der Nachfolge des Webens steht. Das heißt, alle Kunstwerke, die in dieser Ausstellung vereint sind – bildende Kunstwerke wie auch Gedichte und Prosatexte – haben diese eine gemeinsame Quelle: den Webstuhl! Man tut gut daran, sich diese lange Tradition zu gegenwärtigen, wenn man die Bilder betrachtet oder die Texte hört.”
Als zum Ende der Eröffnungsveranstaltung die fast 85jährige Aldona Gustas ans Mikrophon trat, um einige Zeilen aus ihrem jüngst erschienen Gedichtbad “Zeit zeitigt” zu lesen, kam so etwas wie heilige Konzentration im Publikum auf, in der eisigen Halle 12 der Baumwollspinnerei. “Zeit der schwarzen Schneeflocken”.