Anlässlich des 100. Geburtstags erinnern Freunde und Bewunder*innen am 26. Februar 2018 an den besonderen Menschen, Berliner Bohemien, Grafiker, Orgelbauer, Pianist, Widerständler und Meisterfälscher Oskar Huth, (1918 Berlin – 1991 Berlin). Auch die Browse Gallery lüftet zum 100sten vor dem Geburtstagskind erneut erfreut den Hut, nachdem sie seit 2014 mit der Ausstellung Oskar Huth: Für den Fall der Nüchternheit – von sich aus eine innige Verbindung zu dem luftigen Hütchen geknüpft hat. Anlässlich seines Geburtstags bringt die Journalistin Gabriele Killert, die Huth schon früher rezensierte (siene Autobiographie Überlebenslauf), eine halbstündige Porträtsendung mit Zeitgenossen im rbb Kulturradio (Mo 26.2., 19.04 Uhr, Kulturtermin), der Freundeskreis versammelt sich um 14 Uhr auf dem Jeruslamer Friedhof in Kreuzberg (Eingang Zossenerstr.), um 16 Uhr zur Ansicht einiger “Memorabilia” in der Galerie Taube (eingeladenen Gäste) und, wie es sich bei Huth wohl ziemt, im Anschluss zur abendlichen “Erfrischung” ab 20 Uhr im Zwiebelfisch.
Wer war Oskar Huth?
In Berlin in der Nähe des Alex als Sohn eines Klavierbauers geboren, studierte Huth von 1936 bis 1939 in Berlin Freie Malerei und Drucktechniken. Trotz dieser Ausbildung und obwohl er ab und an für seinen Lebensunterhalt auch Bilder und Grafiken verkaufen konnte, wollte er sich selbst nicht als Künstler bezeichnen. „Kunsttrinker“ war seine vorgezogene Berufsbezeichnung, in typisch ironischer Manier. Seine Trinkerlaunen lebte er in einschlägigen Kreuzberger und Wilmersdorfer Künstlerkneipen aus. In den 50er und 60er Jahren gab es bald kaum eine Vernissage ohne Huth, bei denen er nicht sein herausragendes Talent als Schöpfer skurriler Wortwendungen und begnadeter Geschichtenerzähler zum Besten gab. Aber auch als Maler, Orgelbauer und Pianist war er über Jahrzehnte in Berliner Künstler- und Literatenkreisen geschätzt. Er war ein Berliner Original und eine zentrale Gestalt der Kreuzberger und West-Berliner Künstlerszene in der Nachkriegszeit und er ist einer der wenigen „stillen Helden“, die Widerstand gegen die Nazis leisteten.
Für viele seiner Künstlerfreunde war Huth, oder „Hütchen“, wie sie ihn nannten, so etwas wie eine „Muse“
(Frank Dietschreit, rbb Kulturradio, 26.04.2013)
Günter Grass hat Huth in seinen Hundejahren mit der Figur des Fälschers und Klavierbauers “Hütchen” literarisch der Nachwelt überliefert. Unter anderem im Roman „Geisterbahn“ von Robert Wolfgang Schnell und in den Gedichten von Günter Bruno Fuchs ist er verewigt. Die Maler Karl Oppermann und Alf Trenk haben ihn mit Pinsel und Fotoapparat portraitiert. Hans Magnus Enzensberger hat in seinem Buch Hammerstein oder Der Eigensinn: Eine deutsche Geschichte über den General und Widerstandskämpfer Hammerstein-Equord beschrieben, wie Oskar Huth den an der Aktion des 20. Juli beteiligten Hammerstein-Söhnen Ludwig und Kunrat gefälschte Papiere verschaffte und so ihr Leben rettete. Zuletzt begegnet uns Huth in Hans Zischlers Berlin ist zu groß für Berlin.
Zu seinem 60ten Geburtstag hat der Freund Hartmut Topf einen Almanach Für den Fall der Nüchternheit zusammengestellt, in dem sich zahlreiche Zeugnisse der Bewunderung und Liebe wiederfinden, die der „feinen Person“ Oskar Huth entgegengebracht wurde.. Zu seinem 70ten kreierte sein enger Freund, der Kreuzberger Künstler Ruppik eigens einen großen Geburtstagsband und der Maler und Fotograf Alf Trenk schrieb für Huth seinen autobiographischen Überlebenslauf, auf, aus stundenlangen Tonbandaufnahmen, die er und die Freunde Sigurd Kuschnerus und das Ehepaar Wülfing mit Huth gemacht hatten – eine unglaubliche Biographie dieses ungewöhnlichen Mannes.
Vieles spricht dafür, dass es besonders auch die Vorgeschichte des Oskar Huth ist, der als gewitzter Widerständler und Meisterfälscher während des Krieges viele Leben rettete und die Nazis aufs Kreuz legte, die die Künstlerkollegen der Bohème in der Nachkriegszeit beeindruckte und inspirierte.
Überlebenslauf
Als er nach Kriegsbeginn 1939 einen Befehl zur Musterung erhielt, wurde er durch eine List für ein Jahr aufgrund „motorischer Störungen“ vom Dienst befreit. Nachdem immer mehr von seinen jüdischen Freunden abgeholt wurden und nicht aus den Konzentrationslagern zurückkamen, beschloss er 1941, in den Untergrund zu gehen. Fintenreich entzog er sich dem Einzug in die Wehrmacht und entkam mehr als einmal durch Mut, Frechheit und Geistesgegenwart der Gestapo.
Im Frühjahr 1942 schleppte er zu Fuß eine Handdruck-Maschine den ganzen Weg von Kreuzberg nach Wilmersdorf und nutzte fortan seine grafischen Talente, um verfolgte Juden mit gefälschten Buttermarken und Ausweispapieren zu versorgen. Mit dieser Druckmaschine, auf der er angeblich kriegswichtige wissenschaftliche Dokumente produzierte, arbeitete er in schwejkscher Manier direkt unter den Augen der Nazis.
Unter schwierigsten Bedingungen besorgte er sich Know-how und Materialien zur Herstellung der Druckfarben und Papiere, konstruierte genial improvisiert aus einer Nähmaschine die Stanzvorrichtung zur Perforation der Buttermarken. Dann lieferte er Papiere und Butterpakete höchstpersönlich an Verfolgte und ihre Unterstützer – tage- und nächtelang, quer durch Berlin im Bombenhagel. Er arbeitete komplett allein, hatte eine Handvoll Freunde, von denen er in kurzen Pausen auf seinem „Monsterlatsch“ Unterschlupf und Nahrung zum Überleben bekam. Nachzulesen ist diese unglaubliche Geschichte in Huths fantastischem kleinen Buch Überlebenslauf.
Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 half er auch den Brüdern Ludwig und Kunrat von Hammerstein, der Verhaftung durch die Gestapo zu entkommen.
Die drei Jahre im Untergrund prägten Huth fürs Leben, erklären so manche Eigenart und Gewohnheit – wie die ausschließliche Fortbewegung zu Fuß, seine Vorliebe für zentimeterdicken Brotaufstrich mit Butter, den Horror vor Amtsstuben, den Spott für falsche Autoritäten…
Einiges ist ihm unter seinen enormen Anstrengungen und grässlichen Erlebnissen während des Krieges abhanden gekommen. Bewahrt hat er sich seine Menschlichkeit, eine Fülle an Humor und geistreichem Witz, blitzschnelle Auffassungsgabe und brillante Sprachfertigkeit.
Das sagen seine Freunde und zahlreiche Bekannte. Mit ihrer Hilfe gelang es der Browse Gallery im Jahr 2014, eine Ausstellung zeigen zu können, die sich der schwer (be)greifbaren Persönlichkeit Oskar Huths über verschiedene Zugänge genähert hat. Erstmals wurden in Oskar Huth: Für den Fall der Nüchternheit – Homage öffentlich in größerem Umfang Aquarelle und Zeichnungen von Huth, dem “Künstler ohne Werk” gezeigt, die er meist spontan und zum Spaß für Freunde anfertigte. Ergänzt wurden diese durch diverse Zeugnisse der malerischen und literarischen Verarbeitung der Person Oskar Huths in Bildern und Büchern befreundeter oder bekannter Berliner Künstler-Kollegen.
Links Oskar Huth
Über Oskar Huth:
Für den Fall der Nüchternheit, Almanach Oskar Huth, zusammengestellt von Hartmut Topf, Berlin 1978, zum 60. Geburtstag von Oskar Huth
Oskar Huth von Alf Trenk, Kreuzberger Chronik, November 2007
Oskar Huth – Die Kunst der Unterhaltung, Hans Korfmann, Kreuzberger Chronik, August 2014 (anlässlich der Huth-Ausstellung in der Browse Gallery)