Aldona Gustas

Aldona Gustas (2.3.1932 - 8.12.2022) war eine in Litauen geborene deutsche Schriftstellerin  und prägende Person der unabhängigen  West-Berliner Kunst- und Kulturszene in  der Nachkriegszeit.
In den späten 50er und 60er Jahren ist Aldona Gustas Teil mit Künstlerpersönlichkeiten wie Günter Grass, Günter Bruno Fuchs und Robert Wolfgang Schnell befreundet. Diese Kontakte und ihr eigenes Interesse, Literatur und Malerei zu verbinden, führten sie 1972 zu Gründung der Berliner Malerpoeten.  Für die Gruppe von 14 malenden Schriftstellern und schreibenden Maler, kuratierte sie Ausstellungen und gab Anthologien heraus. Durch sie wurden die Berliner Malerpoeten auch international bekannt.

Als Lyrikerin hat Aldona Gustas ihre Arbeiten in mehreren Dutzend Gedichtbänden in kleineren bibliophilen Verlagen, v.a. in der Eremiten-Presse mit deren Herausgeber V.O. Stomps, veröffentlicht. Ihre Werke wurden vertont und ins Litauische, Polnische, Spanische, Französische u.a. Sprachen übersetzt. 2017 kam ihr letzter Gedichtband Zeit zeitigt in exklusivem Handbuchdruck,  mit 250 handsignierten Exemplaren bei der Corvinus Presse heraus. In mehrern Gedichtbänden hat sie ihre Gedichte mit grafischen Arbeiten ergänzt.

Weibliche Identität, Erotik und Sinnlichkeit sind zentrale Themen des lyrischen und grafischen Werkes von Aldona Gustas, das sie in zahlreichen Publikationen wie Symbiosefrauen (1993) Sphinxfrauen (1999 oder Würfelwörter (2013) auch miteinander verbindet. Spontanität, Knappheit und Einfachheit nennt Olav Münzberg ihre Grundprinzipien der Konstruktion – im Literarischen wie im Zeichnerischen. Mal verspielt und fantastisch, mal lakonisch punktierend, setzt sie Linien und Worte auf Papier. Paradoxe besiedeln viele ihrer Sprach-Bilder – androgyne Figuren, in der sich Körperrundungen in Fische oder Vögel transformieren. Entgrenzte weibliche Sexualität und subjektiver künstlerischer Ausdruck sind ihr  Orte der Freiheit: Asyl im Geschlecht (1990). Asyl im Gedicht (2001). Oxymora verwendet sie oft und meisterlich in ihrer Lyrik.

Aldona Gustas wurde am 2. März 1932 in Karzewischken, Gemeinde Šilutė (Heydekrug), Litauen geboren. Die ersten Kindheitsjahre verbrachte sie mit ihren Eltern, ihrer Großmutter und ihrem Onkel Johan in dem damals zu Litauen gehörenden Memelland. Das Jahr 1939 wird zum Schicksalsjahr für die Familie, die in den Folgejahren zwischen die Fronten des Eroberungs- und Vernichtungskrieg von Nazi-Deutschland und der stalinistische Eroberungs- und Besatzungspolitik der Sowjetunion geriet.

Anfang 1939 verleibte die NS-Regierung im Gegenzug für einen litauisch-deutschen Nichtangriffspakt unter Zustimmung der litauischen Regierung das Memelland wieder dem Deutschen Reich ein. Aldonas junger Onkel Johann  wird aus „politischen Gründen“ 1939 dort erstmals von den Deutschen verhaftet.
Im gleichen Jahr zieht Aldona mit ihren Eltern nach Wilna (Vilnius). Dort erleben die 8-jährige Aldona und ihre Familie den Einmarsch und die Besatzung der Stadt durch sowjetische Truppen im Juni 1940.

Im Frühjahr 1941 kam die Familie im Zuge der NS-Umsiedlung von Litauendeutschen nach Rostock. Zwangsläufig muss Aldona die deutsche Sprache lernen. Die litauische Sprache hat sie für immer verloren.
Aldonas Onkel Johann wird in Litauen 1941 erneut von den Nazis verhaftet und wird im April 1942 im KZ Groß-Rosen  ermordet. 

Als Jugendliche erlebt Aldona den Krieg in Rostock, damals ein Zentrum der Rüstungsindustrie, das mehrmals heftig bombardiert und massiv zerstört wurde. Zum Kriegsende und mit Einmarsch der sowjetischen Truppen in Rostock im Mai 1945 wird die Familie getrennt. Der Vater geriet vermutlich in russische Gefangenschaft und wurde einige Jahre im sowjetischen Gulag in Sibirien interniert.

Aldona, ihre Mutter und der einjährige Bruder Johann schlagen sich aus Angst vor den sowjetischen Besatzungstruppen nach Berlin durch. Hier werden sie in Charlottenburg am 26.9.1949 als politische Flüchtlinge registriert.

1952 heiratete Aldona Gustas den Schriftsteller und Journalisten Georg Holmsten. Die beiden bleiben ein Paar bis zum Tode von Georg Holmsten am 21. Juli 2010.

Georg Holmsten gehörte ab 1943 als Informationsoffizier im von Admiral Canaris geleiteten Amt Ausland/Abwehr zur Gruppe des militärischen Widerstands, die das Attentat auf Hitler plante.  Nach erfolgreicher Durchführung sollte er als Leiter des Deutschen Nachrichtenbüros fungieren. Georg Holmsten war am 20. Juli 1944 in der Bendlerstraße und ist einer der wenigen Überlebenden der Akteure des 20. Juli.

2022  Aldona Gustas Kreuz-berg 100-10, Solo-Ausstellung anlässlich des 90. Geburtstag von Aldona Gustas, Browse Gallery zu Gast bei Galerie Salon Halit

2021 Berliner Malerpoeten - kuratiert von Browse Gallery als Teil der Ausstellung Die Erfindung Kreuzbergs - Zeit der Bohème in den 1960er und 1970er Jahren, Studio 1, Kunstquartier Bethanien, Berlin

2017 Oxymora, Berliner Malerpoeten und zeitgenössische litausiche Textildesignerinnen, Browse Gallery, Baumwollspinnerei Leipzig

2016 -2017 zweijährige Wanderausstellung   Aldona Gustas und die MUNDFRAUEN durch Museen und Büchereien in Litauen.  Maironis-Museum, Kaunas, Frederick Bajoraitis Bibliothek, Silute und Leva-Simonaityte Kreisbibliothek, Klaipėda, Nationalbibliothek Nacionaline Martyno Mazvydo Biblioteka, Vilnius, 11. - 30.4.2017

2016 Berliner Malerpoeten. Pulsierendes Leben – Pulsierender Tod, Rathaus Wiesbaden

2016 Aldona Gustas, I am We, M. Žilinskas Art Gallery, paintings and drawings, Kaunas, Lithuania

2015 Aldona Gustas – I am a Part of Nature, drawings, M. K. Čiurlionis National Museum of Art, Kaunas, Lithuania

2014 Berliner Malerpoeten. Pulsierendes Leben. Pulsierender Tod,  Browse Gallery, Berlin

2014 Aldona Gustas – Mundfrauen, 50 Zeichnungen, Browse Gallery, Berlin

MUSEEN UND SAMMLUNGEN
Čiurlionis National Museum of Art, Kaunas, Friedrichshain-Kreuzberg-Museum, Rathaus Wiesbaden

BUCH VERÖFFENTLICHUNGEN (Auswahl)
Nachtstrassen, Gedichte (1962, Eremitenpresse). Grasdeuter, Gedichte (1962, Eremitenpresse). Frankierter Morgenhimmel, Gedichte (1975, Eremitenpresse). Puppenruhe (1977, Eremitenpresse). Sogar den Himmel teilten wir (1981, Eremitenpresse). Symbiosefrauen (1996, Corvinus Presse). Jetzt, Gedichte und Zeichnungen (1997, Corvinus Presse). Sonnenzyklus, Gedichte (1997, Corvinus Presse). Sphinxfrauen, Texte und Zeichnungen (1999, Corvinus Presse). Asyl im Gedicht (2001, Eremiten Presse). Berliner Tagebuch (2006, Eremiten Presse). Untoter, Gedichte (2011, Corvinus Presse). Würfelwörter, Gedichte (2013, Corvinus Presse). 2017 kam ihr letzter Gedichtband Zeit zeitigt in exklusivem Handbuchdruck,  mit 250 handsignierten Exemplaren bei der Corvinus Presse heraus.

AUSZEICHNUNGEN
1997 Rahel Varnhagen von Ense-Medaille
1999 Bundesverdienstkreuz
2006 Medaille des Verdienstordens der Republik Litauen

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